„In der Schule hat meine Lehrerin gesagt, sie kann mich immer so schwer verstehen, weil ich nicht artig kuliere.“ Mit dieser Kunde wartete mein Neffe vor einigen Jahren auf und wollte von mir als Profi wissen, was nun zu tun sei. Zunächst erklärte ich ihm, seiner Lehrerin ginge es vermutlich um seine Artikulation und deren Verbesserung. Die Überprüfung anderer Artigkeiten obliege dagegen weiterhin dem Weihnachtsmann. Was unsere Kinder – wenn es gut läuft – schon in der Grundschule mit auf den Weg bekommen, muss sich manch einer von uns als ausgewachsener Mensch mühsam erarbeiten. Vor allem, wenn er oder sie von Berufs wegen vor Publikum präsentieren muss: Nämlich, deutlich – und damit für alle verständlich – sprechen.

Mehr Wörter pro Minute hilft nicht.

Du wirst vermutlich nicht nach WpM bezahlt, wenn du mit deinen Zuhörern sprichst. WpM? Das ist die Abkürzung für „Wörter pro Minute“. Bei einer Präsentation ist der Inhalt zumindest der Grund für den Auftritt – mit ihm willst du überzeugen. Du solltest mit deinem Wissen im Mittelpunkt stehen. Wenn dich aber kein Mensch verstehen kann, weil du beim Reden die Zähne nicht auseinander kriegst, ist das ein Jammer für deine Präsentationsinhalte. Denn wer den Mund beim Reden nicht weit aufmacht, den nennt der Volksmund Nuschelt. Zum Glück lässt sich relativ einfach Abhilfe schaffen.

Mehr Biß fürs Sprechen.

Was ist rot, viereckig und in der Regel schlecht für die Zähne? Richtig, ein Ziegelstein. Für die erste Artikulationsübung (übrigens eine der ältesten der Welt) brauchst du tatsächlich einen Stein. Wenn auch einen, der qua Größe und Beschaffenheit angenehmer in deinen Mund passt als besagter Ziegelstein. Zum Beispiel ein Rosenquarz eignet sich hervorragend. Etwas größer als ein Wachtel-Ei und deutlich kleiner als eines vom Huhn sollte er sein.  Mit diesem Stein im Mund liest du dann einen Text laut vor. Unmittelbar im Anschluss sprichst du denselben Text noch einmal – ohne Stein. Du wirst feststellen, dass du beim Sprechen den Mund im zweiten Durchgang deutlich weiter öffnest als in Runde 1. Dein Kiefer wird sich viel mehr bewegen und automatisch wirst du deutlicher sprechen.  In unseren Seminaren hat das schon oft zu spontanen AHA-Momenten gesorgt. Ein weiterer positiver Effekt wird sein, dass deine Stimme etwas tiefer und damit in den Ohren des Publikums angenehmer klingen wird. Alternativ kannst du auch einen Korken zwischen die Zähne nehmen (bitte so einen, wie man ihn von Sektflaschen kennt und keinen Kronenkorken).

 

Hollywood läßt grüßen!

Übrigens wenden auch Schauspieler diese Methode an, um ihre Texte gut verständlich über die Lippen zu bekommen. Wer keinen Stein und keinen Korken zu Hand hat, kann deutliches Artikulieren mit dem Daumen üben. Im Vergleich zu Stein und Korken bewegen sich die Kiefergelenke sogar noch mehr. Du bleibst ebenfalls locker, weil du nicht krampfhaft versuchen musst, einen Korken zwischen den Zähnen zu balancieren oder einen Stein nicht zu verschlucken. Winkle also einen deiner Daumen leicht an. Dann stecke ihn dir quer in den Mund, sodass das Daumengelenk ungefähr mittig und zwischen den oberen und den unteren Schneidezähnen liegt. Rede nun langsam und deutlich, zähle, sage ein Gedicht auf oder lese einen Text vor. Dasselbe machst du direkt im Anschluss ohne Daumen zwischen den Kiemen. Du wirst sofort merken, wie sich deine Stimme verändert, ohne dass du großartig darauf geachtet oder dich angestrengt hast. Auch bei dieser Übungsvariante senkt sich die Stimme, da der Mund einen größeren Resonanzkörper bekommt. Die Übungen kannst du einfach unterwegs, im Auto, in der Badewanne oder spielerisch mit Kindern machen. Und da sie so leicht umsetzbar sind, werden auch Kolleginnen oder Kollegen mit einer undeutlichen Aussprache dir sicherlich für diese Tipps sehr dankbar sein. Und noch besser: Du nimmst gar nichts in den Mund, sondern beißt Ober- und Unterkiefer fest aufeinander. Das hat den gleichen Effekt.

Übrigens: Auch geübte Redner trainieren auf diese Weise von Zeit zu Zeit ihre Aussprache. Da die meisten Menschen schnell in alte Redegewohnheiten zurückfallen, ist es sinnvoll, immer mal wieder zu Korken, Stein, Daumen zu greifen oder einfach die Zähne fest zusammen zu beißen. So kannst du sicher sein, dass deine Präsentation sprachlich verständlich bleibt. Das Ganze gibt es übrigens mittlerweile sogar als Gesellschaftsspiel für die ganze Familie: Es heißt passenderweise Klartext und macht riesigen Spaß. Und eine deutliche Aussprache im Anschluss gibt es nebenbei dazu. Also: Sowohl im übertragenden Sinne als auch rhetorisch betrachtet, ist es gut, einfach mal den Mund aufzumachen. Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, empfehle ich dir mein Buch “NEU PRÄSENTIEREN” – erschienen bei Campus, und hier erhältlich. Oder möchtest du’s live trainieren? Hier geht es zu unseren Seminaren. Viel Spaß!